Die Festung wankte bedächtig zum Ende, aber sie fiel nicht. Das ist die Essenz des Eishockey-Abends in der O2-World Hamburg am 1.11.2013. Zu Gast: der EHC München, inzwischen um den Zusatz “Red Bull†erweitert. Vor der Saison und auch unmittelbar nach Beginn als Mitfavorit für den Meistertitel gefeiert, scheinen die Münchener in der Realität der DEL angekommen. Was hatte Mastermind Pierre Pagé nicht alles versprochen. Für die Zuschauer attraktives Eishockey wollte er spielen lassen, stark auf die Offensive setzen. Attraktiv war das gestrige Spiel nun jedenfalls nicht so ganz…
Die Gäste kamen motiviert und kämpferisch aufs Eis. Und die ersten 3–4 Minuten gehörten eindeutig dem EHC. Die Freezers versuchten zwar, die Münchener an der Bande und im Zweikampf zu stellen, gingen dabei aber meist als Verlierer hervor. Zählbares konnte der EHC indes aus dieser druckvollen Phase nicht ziehen. Schön oder attraktiv sah der verbissene Kampf um Zentimeter allerdings nicht aus.
Die Verbissenheit auf dem Eis nahm im gleichen Maße zu, wie das Niveau der Entscheidungen des Gespanns Eric Daniels und Gordon Schukies sank. Welches Regelbuch Herr Daniels da gestern im Gepäck hatte, weiß wohl niemand so genau. Es wäre nur gut, wenn er sich vielleicht lieber ein Hobby suchte, von dem er auch etwas versteht. Die Emotionen unter den fast 7.200 Zuschauern kochten da bereits hoch. Und wer die Gestik und Gebärden der Hamburger Nummer 89 lesen konnte, sah, dass David Wolf kurz vor der Explosion stand. Erfreulicherweise behielt er seine Emotionen aber im Griff und so blieben langdauernde Besuche der Strafbank aus. Zum Ende des ersten Drittels machten die Münchener noch einmal ordentlich Druck, trafen aber entweder das Tor nicht oder schossen das Spielgerät in die Fanghand von Sebastien Caron. Mit 0:0 ging es nach dem ersten Drittel in die Pause.
Die Münchener mussten sich wohl einiges in der Kabine anhören und kamen sichbar motivierter aus der Kabine. Nach einem gescheiterten Offensiv-Versuch der Hamburger wurde Caron dann in der dritten Minute des zweiten Drittels überwunden. Die Gäste gingen mit 1:0 in Führung. Glücklicherweise gelang Matt Pettinger, der erneut an diesem Abend in der Abwehr aushelfen musste und dabei keine schlechte Figur machte, bereits drei Minuten später der Ausgleich. Schön war das Tor nicht, aber der Puck war drin. Den Rest des Drittels würden amerikanische Zuschauer mit einem beherzten “And up and down the ice they went†charakterisieren. Es gab Chancen auf beiden Seiten. Es gab Zweikämpfe auf beiden Seiten. Und es gab Fehler auf beiden Seiten. Nur Tore gab es nicht. Da durften die Zuschauer schon ein bisschen neidisch auf die Zwischenergebnisse der anderen DEL-Paarungen schauen. Denn dort fielen teilweise 6 oder 7 Tore in der gleichen Zeit. Mit 1:1 ging es also in die zweite Pause.
Mit Superstimmung auf den Rängen begann der letzte reguläre Abschnitt. Und wer etwas länger zur Getränkeversorgung benötigt hatte, durfte sich geärgert haben. Denn Julian Jakobsen netzte nur 33 Sekunden nach Anpfiff ein. Die Freezers gingen erstmals in Führung und erstmals konnte man deutlich sehen, dass die Münchener Spieler die Schultern hängen ließen. Das berühmte Momentum gehörte den Hamburgern.
Beherzt, kämpferisch und verbissen ging es weiter. In diesem mittleren Abschnitt des letzten Drittels wirkten die Freezers erstmals überlegen. In der 48. Minute konnte Mathieu Roy seine bis dahin fehlerlose und feine Leistung mit einem absolut sehenswerten Tor krönen. Dass sich dieser fulminante Schlagschuss direkt vor den Augen des Chronisten abspielte, machte die Sache noch schöner.
Damit war der Kampf um die Punkte eingeläutet. Ab und zu blitzte deutlich auf, wieso Eishockey auch gern mal als Kontaktsportart bezeichnet wird. Harte, aber überwiegend faire Checks. Rund 5 Minuten vor Ende setzte Pierre Pagé alles auf eine Karte und brachte den 6. Feldspieler. Die Zuschauer hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen. Und dieses Finale bot immerhin dreimal Gelegenheit, die Luft anzuhalten, als der Puck jedesmals nur um wenige Zentimeter am leeren Tor der Bayern vorbeischlidderte.
Das Hamburger Publikum war bereits dabei, die letzten Sekunden herunterzuzählen, als vier Sekunden vor Ende die Strategie der Münchener, sich stets massiv vor dem Gehäuse der Hamburger aufzuhalten, Früchte trug und der Anschlusstreffer erzielt werden konnte.
Die drei Punkte blieben trotzdem in Hamburg und die Freezers belohnten sich erneut für eine durchaus respektable Leistung.
Eher blass bis farblos blieben in dieser Partie Ralf Rinke und auch Morten Madsen. Letzterer rackerte sich einmal mehr ab, aber bei seinen zwei guten Szene traf er den Puck nicht oder zertrümmerte seinen Schläger. Gute gespielt hat Matt Pettinger auf der eher ungewohnten Verteidiger-Position und auch Kevin Lavalee muss diesmal gelobt werden. Wer zwei Tage zuvor einige Zähne in der Volksbank Arena verliert und mit Gesichtsschutz spielen muss, trotzdem aber vollen Einsatz zeigt, verdient das durchaus.
Einen wichtigen Schritt zur vollständigen Fitness hat Mathieu Roy gemacht. Nicht nur wegen seines Tores aus meiner Sicht der Spieler des Abends. Wolf, Festerling und Flaake fielen aber leider in allbekante Spielmuster und Passwege zurück, die inzwischen die ganze Liga kennen durfte.
Fazit: Die Freezers haben sich erfolgreich aus dem Sumpf herausgearbeitet. In den vergangenen fünf Spielen blitzte oft genug die Leistungsfähigkeit des Kaders auf. Wenn die Mannschaft diese Leistung auch in den kommenden Wochen abrufen kann, dürfte sie die eigenen Saisonziele durchaus erreichen können. Was aber für Benoit Laporte ein hartes Stück Arbeit bedeutet. Denn noch zeigen sich Mitchell, Dupuis und Madsen zu unbeständig und die junge Reihe um Jerome Flaake teilweise etwas überspielt. Was am gestrigen Abend aber auch an der angeschlagenen Gesundheit der Akteure gelegen haben könnte.