Diesen Beitrag wollte ich schon lange geschrieben haben, aber die Zäsur vor der Endrunde der Meisterschaft in der DEL scheint endlich der richtige Zeitpunkt dafür zu sein.
Eishockey – das ist der schnellste, körperbetonste Mannschaftssport. Meine Eishockey-Sozialisation geht auf Kindertage zurück, als ich einen Erich Kühnhackl oder Gerd Trunschka gebannt auf der Mattscheibe verfolgte. Damals gab es Eishockey auch im öffentlich-rechtlichen TV zu sehen und gerade in der ARD gab es einen Moderatoren, der auch Einsteigern regelmäßig geduldig das Regelwerk erklärte. (Falls einer meiner Leser den Namen parat hat, wäre ich dankbar. Es muss so zwischen 1978 und 1980 gewesen sein.) Und als Hamburger freue ich mich natürlich darüber, dass ich Eishockey der 1. Liga in einer sehr schönen Arena sehen kann. Das soll übrigens andere Mannschaften hier in Hamburg nicht schmälern. Auch in Farmsen werden gute Spiele abgeliefert, aber wer die legendären Kölner Haie sehen will, muss schon in die große Arena. Der Sport macht mir viel Freude bei Zuschauen, aber eben nicht nur. Hier also mal meine subjektive Lust-/ Frust-Liste. Kommentare sind gern gesehen!
- Frust Nummer 1: Öffentliche Berichterstattung: Sie findet nicht statt. Einen der Tiefpunkte konnte ich gestern erleben. Da wurde der Mannschaftskapitän der Freezers, Christoph Schubert, zur besten Eindruselzeit in eine Regionalsendung des NDR eingeladen. Schade, dass das Thema Eishockey so gar nicht das des Moderatoren war. Denn statt um den Sport, die aktuelle Tabellensituation, ging es in erster Linie um Verletzungen. “Warum muss man denn Checks zu Ende fahren?†Schon mal einen Fußballer gefragt, warum diese oder jene Grätsche sein muss? Vielleicht liegt es an meinem Beruf, aber mir wären da auf Anhieb einige intelligentere Fragen zum Sport eingefallen. Aber “Schubi†hat sich gut aus der Affäre gezogen, nur wenn mal als Fernsehsender keine Ahung von dem Sport hat, sollte man das dann lieber mal ganz sein lassen. Achja: Natürlich präsentiert sich Sky hier wieder als Retter des Sports, denn da kann ich ja DEL live sehen. Richtig. 1 Partie von 7 pro Spieltag. Die regionalen Zeitungen sind stets bemüht, aber wenn ich die Artikel zusammenstreiche, in denen nur die Trainerstimmen abgedruckt werden, leben die Freezers-Seiten der Hamburger Morgenpost eigentlich mehr von den Kommentaren der Leser. Schade. Und rätselhaft zugleich. Denn als Hamburger Erfolge mit einer Hamburger Mannschaft feiern zu können, ist momentan ja eher nicht so häufig. Während im Fußball jede Blähung oder Inkontinenz eines Bundesliga-Legionärs, deren Namen ich teilweise kaum noch aussprechen kann, seitenweise auf deren das Spiel beeinflussenden Charakter analysiert werden, findet Eishockey nicht statt. Übrigens ist das weltweit eher keine Randsportart.
- Frust Nummer 2: Anschutz: Sagt Ihnen jetzt vielleicht nichts. In Kurzform. Eine Unternehmensgruppe gegründet von einem amerikanischem Herren mit teilweise merkwürdigen politischen Ansichten, was man so lesen darf. Ihm gehören weltweit einige Arenen und damit auch Mannschaften. In Deutschland sind dies die beiden DEL-Mannschaften Hamburg Freezers und die Berliner Eisbären. Und genau diese Unternehmensgruppe hinterlässt in Hamburg gerade keinen so günstigen Eindruck. Da ist es einer klug handelnden Geschäftsführung gelungen, aus meiner Sicht einen Wendepunkt zu erreichen. Aufbauarbeit zu leisten und einige junge Spieler sogar langfristig an den Verein zu binden. Und dann erhalten weder der Geschäftsführer noch der Trainer ihre Vertragsverlängerungen. Stattdessen wird in der Presse dann ein Satz lanciert, wie etwa “Aus unserer Erfahrung spielt es für die Spieler keine Rolle, wer hinter der Bande stehtâ€. Sicher ist klar. Hat der sportliche Direktor bestimmt nicht als Teil des Paketes erwähnt. Die Herren sollten vielleicht aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen. Denn mit rund 9000 Besuchern pro Spiel haben die Freezers auch gezeigt, dass an dem Standort etwas herauszuholen ist. Wäre dumm, wenn die offensichtlich favorisierten Eisbären den Pokal dieses Jahr nicht holen. Und wie so eine Arena ohne Fans aussieht, durfte gerade ein anderer Teambesitzer mit eigenwilligen Ansichten in Hannover erleben.
- Frust Nummer 3: Das Hamburger Jubelpublikum: Au weia. Hier könnte ich jetzt Seiten füllen. Aber vielleicht machen Sie sich selbst mal ein Bild. Einfach mal die Pinnwand der Freezers auf Facebook betrachten. Zwischen “Auf gehts†und “Der Norden sind wir†gibt es dann gelegentlich auch mal einen Kommentar mit etwas Substanz von Menschen, die durchscheinen lassen, dass sie zumindest das Regelwerk verstanden haben. Schlimm ist es teilweise in der Halle. Am eindrucksvollsten vielleicht mal an einem Einzelbeispiel. Ich sitze momentan häufig in U7, 3 Reihe. Zwei Reihen hinter mir sitzt, nennen wir sie mal, Gertrud. Vielleicht erkennt sich die Dame ja sogar. Dauerkarteninhaberin, mit allen Zipp und Zapp ausgestattet, Trikot, Schal usw. Nur leider von jeder erdenklichen Grundkenntnis des Sports befreit. Aber natürlich weiß sie, was genau in jeder einzelnen Situation zu tun ist. Da werden Pässe falsch gespielt (ja, das sehe ich auch, wenn sie beim Gegner landen), und der Torhüter hätte den doch halten müssen. Hat sich der Goalie in dieser Situation sicherlich auch gedacht, nachdem er die Scheibe aus dem Netz holte. Besonders abgesehen hat sie es auf Christoph Schubert, den sie immer unseren “NHL Profi†nennt. Das muss besonders verwerflich sein, dass dieser jetzt nicht die amerikanische Spielweise mit nach Deutschland gebracht hat. Achja, und Alexander Polaczek ist in ihren Augen auch ein totaler Versager. Schade, dass sie dann ein reguläres Icing genauso wenig erkennt, wie ein völlig deutlich sichtbares Torraumabseits. Gertrud sein an dieser Stelle einmal zugerufen: Wenn man von dem Sport keine Ahnung hat, dann bitte einfach mal die Fresse halten. Bitte! Selbst mein Jüngster, der sich seit einem halben Jahr intensiv für den Sport interessiert, hat Dich in Sachen Fachkenntnisse schon überholt und beginnt unter Deinem Unsinn zu leiden!!! Aber Gertrud ist schlicht auch nur ein Synonym für die “prima Stimmung†in der Halle. Da schreit und turnt sich der Fanblock wund, alle gehen begeistert mit, nur wenn dann ein Breakout stattfindet, ist schnell wieder Ruhe. Aber genau das ist Eishockey. Wer nach vorne stürmt, verliert mal den Puck und der Gegner läuft aufs eigene Tor zu. Und in dieser Situation braucht die Mannschaft dann keine Unterstützung?
- Frust Nummer 4: Überzogene Erwartungen: Die Stimmung in der Halle wird aber auch durch deutlich überzogene Erwartungen aus dem Umfeld der Hamburg Freezers selbst geschürt. Natürlich muss es Aufgabe sein, die Halle zu füllen, um zum wirtschaftlichen Erfolg beizutragen. Und für die, die sich nicht so gut auskennen. Die Mannschaft fährt zu Auswärtsspielen per Bus oder dem ICE. Und wer einmal hinter die Kulissen der einen oder anderen Arena geblickt hat, wird vielleicht verwundert feststellen, dass die Umkleideräume so mancher Kreissporthalle technisch moderner sind. Wir reden hier also nicht von einem Millionen-Business. Aber bei aller Begeisterung, die Homepage oder das Arena-Magazin “FaceOff†so ausstrahlen: Es geht in der ersten Runde der Playoffs gegen Mannheim. Eine Mannschaft, die sich über das Jahr gesehen, wenig Schwächen gegeben hat. Von daher wäre es geradezu seine Sensation, wenn es den Freezers gelänge, ins Halbfinale einzuziehen.
Aber neben dem ganzen Frust, gibt es auch schlicht viele tolle Dinge und Momente, die mich rund um die Hamburg Freezers begeistern:
- Radio Planet Ice: (Noch?) Bin ich nicht verrückt genug, um Kind und Kegel einzupacken, um Auswärtsspiele zu gucken. Von daher kann ich das Engagement von Radio Planet Ice nicht genug loben. Hier kann ich daheim vor dem Rechner sitzen und mir die Auswärtsspiele anhören. Das ist spannend, packend. Die Jungs machen einen unheimlich guten Job.
- Unsere Nummer 89: Es macht Spaß, David Wolf spielen zu sehen. Der Junge gibt keinen Puck und keinen Zweikampf verloren. Und ist abseits des Eises auch ein unheimlich sympathischer Typ, wie ich jüngst bei der ersten Autogrammstunde meines Lebens (mein Jüngster wollte so gern sein Trikot signiert haben) erleben durfte. Ich bin mir sicher, dass David noch eine ganz große Karriere vor sich hat, befürchte aber, dass ihn uns die NHL schneller wegschnappt, als uns allen lieb sein dürfte. Nur ein bisschen das Kampfschwein-Image sollte er noch ablegen, denn mit fast 3 Stunden auf der Strafbank in einer Saison, hilft er der Mannschaft nur sehr begrenzt.
- Familiäre Atmosphäre in der O2 World: Leute, geht mit Euren Kindern zum Eishockey! Auch wenn 12.000 Menschen da sind, habe ich nie das Gefühl, meine Kids nicht allein zur Toilette gehen lassen zu können. Es gibt am Eingang keine Hundertschaften von Polizei, keine Schlägereien und gerade Personal, Ordnungskräfte und andere Besucher nehmen auf die Kids wirklich Rücksicht.
- Teamgeist der Freezers: An einem guten Tag können die Freezers wirklich jeden Gegner, zumindest daheim, schlagen. Dies liegt einerseits daran, dass die Liga sehr sehr eng ist. Zum anderen aber sieht man, dass diese Truppe gern miteinander spielt und bereit ist, zu kämpfen. Und dieser Teamgeist ist toll zu beobachten. Bisher gab es diese Saison erst ein Spiel zu Hause, bei dem dieser Geist verschwunden schien und da gab es von den Tribünen Pfiffe. Und nachwie vor glaube ich, zurecht. Denn der Teamgeist der Mannschaft ist ein tragendes Element der Mannschaft und eine wichtige Brücke zwischen Team und Fans.
- Das Spiel, das Spiel, das Spiel: Eishockey ist schnell, es ist emotional. Der 4.3.2012 war Werbung für den Sport pur. Ausverkauftes Haus. Eine Schweigeminute für die viel zu früh verstorbene Mitgeschäftsführerin bei den Hamburg Freezers und dann ein Spiel, in dem binnen Minuten Treffer um Treffer fiel. Während sich beim Fußball eben noch ein Stürmer nach einer Schwalbe vom Boden rappelt, können im Eishockey in der gleichen Zeit zwei Tore fallen. Die Jungs spielen nicht weniger hart, als die Kollegen mit dem Ball, verdienen und jammern nur weniger.
Also Leute, geht zu den Hamburg Freezers!