Stephan Lamprechts Notizen

  • Unheilvolle Allianz

    Na super. Wie gestern zahlreiche Medien, zum Beispiel “Spiegel Online“, berichteten, haben AOL Deutschland, Google Deutschland, Lycos Europe, MSN Deutschland, T-Online, t-info und Yahoo Deutschland eine Vereinbarung geschlossen, in den Trefferlisten ihrer Suchdienste jugendgefährdende Seiten herauszufiltern. In Zusammenarbeit mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien sollen in den nächsten Monaten entsprechende Listen erarbeitet werden.

    Nun ist es nicht so, dass der Herr L. begierig auf der Suche nach pornographischen Dokumenten ist, sondern sich durchaus manchmal über vermeintlich relevante Suchergebnisse ärgert, die sich dann doch als Rotlicht-Seiten entpuppen. Aber meine Erfahrungen als Softwaretester mit Filterprogrammen waren bisher alles andere als ermutigend. Falsche Klassifizierung von harmlosen Seiten als jugendgefährdend, nazistisch oder in anderer Form verwerflich, gehörte zur Tagesordnung.

    Sicher: Jugendliche, die allein ohne Anleitung im Web surfen, können schnell auf dem sumpfigen Nebenpfaden des Datendschungels landen. Aber, wie es sich anscheinend für Deutschland gehört, wird das Problem nicht durch Anleitung und Aufklärung der Eltern und Jugendlichen gelöst, verantwortungsvoll mit dem Medium umzugehen, sondern durch die Anrufung einer zentralen Instanz, deren Vorgänger ihre Blüte in den 50er und 60er Jahren gehabt haben dürfte.

    Insbesondere auf die Lösung von Google bin ich gespannt: Wie wird der Dienst mit Treffern umgehen, die lediglich auf eine inkriminierte Seite verweisen. Werden diese dann gesperrt? Wie sieht es mit den Seiten aus, die auf diese Seiten verweisen?

    Alles Schaumschlägerei? Technisch eigentlich nicht lösbar und vor allem anhand der Datenmassen gar nicht zu bewältigen? Ich persönlich halte diese Allianz für unheilvoll, denn konnten die Suchmaschinenbetreiber trotz Advertising und Adwords noch bisher glaubhaft argumentieren, dass sie sich um eine neutrale Position bemühen, verlassen sie diese Neutralität damit endgültig. Ich glaube, ich schau öfter mal beim Open Directory rein.

  • Als Gartenarbeit noch idyllisch und ein Wintermorgen stille war

    Gehören Sie zu den Menschen, die am Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts oder sogar früher geboren worden sind? Dann erinnern Sie sich vielleicht noch daran, dass der Beruf des Gärtners durchaus idyllische Züge hatte. In meinem Elternhaus gab es nicht ausreichend liquide Mittel und schon gar keinen Garten, somit entfiel Kenntnisse über die Gartenarbeit durch Beobachtung eines “eigenen” Gärtners zu gewinnen. Meine Beobachtungen beschränken sich also auf städtische Angestellte, die es (vielleicht) schon wegen ihres Status etwas ruhiger haben angehen lassen. Aber ich erinnere mich, dass es Spaß machte, beispielsweise im Herbst einen Gärtner dabei zu beobachten, wie er Laub zusammenharkte und -fegte. Gleichmäßig und anmutig waren die Bewegungen und dank der besonders großen Harken und breiten Besen bildete sich in kürzester Zeit ein beeindruckender Laubhaufen. Hörbar war davon allenfalls ein leichtes, gemächliches Kratzen der Werkzeuge auf dem Erdboden.

    Das ist heute leider vorbei. Nach meiner Einschätzung seit etwa zwei bis drei Jahren haben knatternde, stinkige Laubbläser ihren Siegeszug auch in privaten Haushalten angetreten. Vorbei sind idyllische Herbstnachmittage, schließlich soll der Garten ja sauber werden. Da wird geblasen, was das Zeug hält. Abgesehen davon, dass ich befürchte, dass diese Laubsauger zu den größten ökologischen Irrtümern zumindest seit Erfindung der FCKW-Spraydosen gehören, frage ich mich, wieso eigenlich noch niemand auf die Idee gekommen ist, einen “Führerschein” für Laubsauger anzubieten oder zu fordern. Anscheinend ist das Gros der Nutzer von diesen Geräten überfordert oder das Laub schlicht zu widerspenstig. Da wird in alle möglichen Richtungen und Ecken geblasen, nur ein Laubhaufen will sich einfach nicht bilden. Interessanterweise passiert dies auch Profis, wenn ich unterstellen darf, dass die Angestellten einer Gartenbaufirma Profis sind. So nerven die Zweitakter lautstark vor sich hin und meine Erinnerung sagt mir, dass mit Harke und Besen der Fall wohl schon erledigt wäre.

    Doch nicht genug, dass die Idylle des Herbstes entschwindet. Vernahm ich in meiner Jugend an einem Wintermorgen wie diesem ein gleichmäßiges Schaben und Kratzen auf den Bürgersteigen, sind motorbetriebene Schneebesen offenbar in einem Preissegment angelangt, dass ihren breiten Einsatz auch in privaten Haushalten befürchten läßt. So räumte ein Nachbar heute morgen ab 5 Uhr in der Frühe den vor seinem Grundstück liegenden Bürgersteig. Das ist im Vergleich zu anderen Grundstückseigentümern in meinem Viertel durchaus lobenswert, da diese gern etwas länger schlafen und den Schnee einfach liegen lassen. Aber für knappe 7 cm Neuschnee und etwa 30 laufende Meter Grundstück ratterte der Motor lautstark nervende 45 Minuten. Eine Zeitspanne, die mich gegen 5 Uhr in der Früh durchaus stört. Es scheint mir, dass die Schneeräumungswerkzeuge für die privaten Haushalte dem klassischen Schema der Industrie entsprechen. Damit sie zu einem profitablen Preis angeboten werden können, der den Privatmann nicht abschreckt, wird an der Qualität gespart. Damit braucht der Nutzer zwar viel länger, als mit einem professionellen Werkzeug, hat aber zugleich den Eindruck, gaaaaanz viel Zeit und vor allem Mühe im Vergleich zu früheren Zeiten gespart zu haben. Nerven tut es trotzdem…

  • Warum ich Genazino mag

    Ich mag Wilhelm Genazino, nicht erst seit er von der breiten Öffentlichkeit ent- und mit dem Büchner-Preis 2004 eingedeckt wurde. In seinen Werken finden sich wunderbare, sprichwörtlich “nach”-denkenswerte Aussprüche. Zuletzt habe ich von ihm “Ein Regenschirm für diesen Tag” gelesen.
    Sprachlich wunderschön und witzig schildert Genazino hier die Merkwürdigkeiten unseres Alltags. In einer Leichtigkeit, einem Plauderton, wie ich ihn auch an Fontane schätze, gelingt es ihm, uns allen unsere Umwelt vorzuhalten, die plötzlich in einem anderen Licht erscheint. So bemerkt der Titelheld auf einem seiner Spaziergänge als Tester für Luxusschuhe:

    “Endlich gelingt es mir, die Jugendlichen interessant zu finden. Gleich fünfmal müssen sie ausdrücken, daß sie jung sind: durch die Zappeligkeit ihrer Körper (1), durch die Gegenstände (Cola, Popcorn, Comics, CDs) in ihren Händen (2), durch ihre Bekleidung (3), durch ihre Musik, dargestellt durch Stöpsel in den Ohren und Drähten um den Hals (4), und durch ihren Slang (5).”

    Und schon hält dieser Autor einem den Spiegel der eigenen Vergangenheit vor. Ich wünschte mir mehr Werke wie dieses in der deutschen Literatur.

  • Tragödie zwischen Männern und Frauen

    Ein wunderbares Zitat von Oscar Wilde, gefunden im Sammelsurium von Ben Schott:
    “Alle Frauen werden wir ihre Mutter. Das ist ihre Tragödie. Männer werden niemals wie ihre Mutter. Das ist ihre Tragödie.”

  • Kostbares Wissen, das die Welt (eigentlich) nicht braucht

    Wissen Sie, woher sich die Härtegrade von Bleistiften ableiten? Kennen Sie die Tragzeit von Erdferkeln? Wissen Sie, was eine Turiner Skala ist? Ich bisher auch nicht: Eine Quelle solchen skurilen, amüsanten Wissens ist Schotts Sammelsurium von Ben Schott. Das Büchlein mit seinen knapp 150 Seiten ist fesselnd und unterhaltsam. Etwas vergleichbares habe ich bisher noch nicht gelesen. Eine Website zum Buch gibt es auch.