Wenn ein Werkzeug mit der Sache selbst verwechselt wird

Eigentlich haben die Marketingleute von Mindjet alles richtig gemacht. Über die Jahre hinweg haben sie es geschafft, treue Kunden heranzubilden, wobei die durchweg gute Qualität des Produkts Mindmanager nicht im Weg gestanden haben wird. In der letzten Zeit höre und lese ich immer wieder, dass man unbedingt den Mindmanager besitzen muss, um die Kreativitätstechnik Mindmapping einzusetzen.

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Damit ist Mindjet ein größeres Kunststück gelungen, als es Tempo mit seinen Taschentüchern geschafft hat. Nun ist es zweifelsfrei durchaus einleuchtend, dass nicht notwendigerweise ein Tempo gebraucht wird, um sich die Nase zu putzen. Genausowenig braucht man den Mindmanager, um Mindmapping einzusetzen. Im Gegenteil:

Wird der Einsatz des Programms einmal kritisch hinterfragt (“Du, was machst Du eigentlich damit?”), kommen Antworten wie: Gliederungen, Aufbau eines Artikels planen, Material sammeln und direkt in Word übernehmen…

Das zeigt vor allem eines: Unkenntnis darüber, was Mindmapping eigentlich ist und wozu es gedacht ist. Tony Buzans Technik basiert darauf, seine Gedanken non-linear entwickeln zu können. Es geht um die aktive Beteiligung verschiedener Sinne. Mit Sicherheit nicht einfach nur darum, Gliederungen zu entwickeln, die sich mit jeder Textverarbeitung einfach herunterschreiben lassen, selbst wenn zunächst nur ungeordnetes Material gesammelt werden soll.

Der Mindmanager ist meiner Ansicht nach in erster Linie ein Werkzeug, um Mindmaps am Computer präsentieren zu können. Wer es lieber OpenSource mag, bitteschön: Freedmind erfüllt auch seinen Zweck.

Ich halte die These für gewagt, dass sich Gedanken frei und kreativ direkt am Computer entwickeln lassen. Wer etwa in einem Seminar erstmals der Mindmapping-Methode aktiv begegnet ist, wird mir wahrscheinlich zustimmen: Es ist ein sinnliches Vergnügen, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Die Weite des Papiers vor Augen zu haben, die Inspiration zu erleben, die hochwertige Schreibwerkzeuge und Materialien hervorrufen können. Mindmapping am PC hat damit wenig zu tun.

Zwar versprechen Tools wie der Brainstorming-Modus des Mindmanagers unmittelbare Kreativität, aber ob Vorlagen wie “Einen Artikel schreiben” inspirierend sein können? Ich habe da so meine Zweifel. Umso mehr Respekt habe ich vor der Marketingabteilung von Mindjet, aber das schrieb ich ja bereits.

Zum Weiterlesen:

Das Mind-Map-Buch

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