Vielleicht hat es ja auch etwas mit den sommerlichen Temperaturen draußen zu tun, dass in der vergangenen Woche wieder auf einigen Sites über die Zukunft von Linux auf dem Desktop spekuliert wurde. Die Diskussion ist nicht neu, und auch diesmal konnten die Vertreter der Standpunkte auf klingende Namen verweisen, die mit Gutachten und Analysen die eigene Argumentation stützten.
KDE, GNOME und Linux können Windows ohne weiteres sowohl in der beruflichen als auch der privaten Nutzung von Computern ersetzen. Das ist nach über zwei Jahren ausschließlichem Linuxeinsatz auf mehreren Desktops meine grundlegende Erkenntniss. Allein: sie werden es in absehbarer Zeit nicht tun, und das hat nichts mit der Marketingübermacht von Microsoft oder Wintel-Allianzen zu tun, sondern hat seine Ursachen in erster Linie in der Community selbst.
KDE und GNOME haben mit ihrem Framework dafür gesorgt, dass der Anwender nicht mit einer Vielzahl an Programmoberflächen konfrontiert wird, sondern wichtige Funktionen immer am gleichen Ort findet. Wie sich Programme jenseits dieser Schicht verhalten, ist oftmals aber zumindest gewöhnungsbedürftig. Aus Sicht der Benutzerfreundlichkeit gibt es hier mit Sicherheit noch eine Menge zu verbessern. Einige Gesichtspunkte finden sich etwa in diesem Artikel: http://www.icefox.net/articles/kdeosx.php
So ist das Engagement der Relevantive AG für die Verbesserung der Usability von KDE durchaus begrüßenswert, wenn ich auch lange genug in der PR-Branche bin, um den Altruismus in Frage zu stellen.
Teilweise machen es die Anwendungen dem Nutzer einfach unnötig schwer, sein Ziel zu erreichen. Oft wird an dieser Stelle der Diskussion gern die Bevormundung durch Assistenten (z.B. im MS Office-Paket) ins Lächerliche gezogen: Kontextmenüs allein reichen aber nicht aus, um heute benutzerfreundlichen zu sein. Vielmehr sollten sich die Optionen in einer Anwendung auf den unmittelbaren Kontext beziehen und nur die Funktionen anbieten, die sinnvoll sind.
Ein weiterer Gesichtspunkt, warum es Linux auch noch in Zukunft auf dem Desktop schwer haben wird: Die meisten Entwickler leisten sehr gute Arbeit, gar keine Frage. Nur verstehen sie leider oft nur wenig vom (Eigen-)Marketing. So informativ für andere Entwickler auch Versionsnummern wie 0.42.1 sein mögen. Sie signalisieren einfach etwas unfertiges, insbesondere, wenn über Jahre hinweg immer noch nicht die 1.0 erreicht wird. Nur die wenigsten Nutzer eines Computers sind “Geeks” und “Nerds”. Die überwiegende Mehrzahl sind einfach Konsumenten, die nie auf den Gedanken kämen oder gekommen sind, eine Betaversion zu testen. Warum sollte es unter Linux dann anders sein?
Und wenn der Anwender es dann dennoch möchte, gilt es die größte Hürde zu übersteigen. Die Installation. Es ist wunderbar und ein großer Gedanke noch dazu, den Quellcode einer Anwendung offen zu legen, anderen die Möglichkeit zur Mitarbeit zu geben! Aber der durchschnittliche Anwender wird dies niemals tun. Der bekannte Dreischritt des Kompilierens ist einfach zu kompliziert für einen typischen Nutzer.
Damit Linux den Desktop erobern kann, muss hier am meisten getan werden. Entwickler sollten wenigstens Debian-Dateien und RPMs zur Verfügung stellen, denn wir wissen alle, dass die Distributionen schon veraltet sind, wenn sie auf den Markt kommen. Erst wenn das Ausprobieren von neuer Software so einfach wie im Windows-Umfeld wird (Download, doppelt auf die ausführbare Datei klicken), werden sich Anwender auch in seiner Freizeit mit diesem Betriebssystem beschäftigen.
Werden diese Hürden beseitigt, bin ich sicher, dass Linux eine große Zukunft auf dem Desktop vor sich hat. Bleibt es so, wie es ist, entscheidet sich bestimmt noch die eine oder andere Firma oder Verwaltung für den Einsatz von Linux auf den Arbeitsrechnern. Der große Durchbruch, fürchte ich, bleibt dann aber aus.
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