Die Maske im Herzen – (m)ein Abschied von den Hamburg Freezers

Die Hamburg Freezers sind Geschichte. Wie die sprichwörtliche Bombe schlug diese Meldung gestern hier im Familienleben ein. Wer hier regelmäßig mitliest, weiß, dass die Mannschaft für mich und meine beiden Kinder große Bedeutung hatte. Fast 5 Jahre sind wir alle drei zu jedem Heimspiel gefahren, haben gelitten, gejubelt, gefeiert und getrauert. Emotionen pur. Und ich habe mich oft genug auch persönlich an dem Thema abgearbeitet, wenn ich das Gefühl hatte, dass sich die Freezers gerade in Sachen Marketing unter Wert geschlagen haben. Deswegen seien mir ein paar persönliche Zeilen zum Abschied gestattet.

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Aus heiterem Himmel aber nicht überraschend

Klar, war ich gestern sprachlos. Die Entscheidung kam aus heiterem Himmel, aber eben doch nicht ganz überraschend. Und die verkorkste Saison dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben.

Der Zeitpunkt ist indes für mich nicht nachvollziehbar und menschlich unanständig. Man hätte gleich bei Saisonschluss die Reißleine ziehen können, um den Spielern einen Wechsel zu erleichtern. Wenige Tage vor Ablauf der Lizenzfrist zeigt eigentlich deutlich, dass es um das Abwickeln ohne Hintertür geht.

Aber Anzeichen dafür gab es aus meiner Sicht bereits seit zwei Jahren. Denn dass die AEG die Parole “Sparen” ausgerufen hat, und zwar in beiden Organisationen, war deutlich zu erkennen. Weder in Berlin noch in Hamburg wurden die Kader mit teuren Spielern verstärkt, sondern im Zweifel die preiswertere Lösung eingekauft und den Fans als bewusste Entscheidung verkauft. Das war natürlich Quatsch.

Seit einigen Wochen haben ein Kooperationspartner und ich am Konzept und Angebot für die neue Homepage der Hamburg Freezers und einer möglichen App gearbeitet. So viel darf man hier nun wohl am Ende der Geschichte erzählen. Unser Entwurf kam in Hamburg gut an und alles sah nach einer mehr oder weniger klaren Sache aus. Allerdings bin ich lang genug im Geschäft, um zu bemerken, wenn ein Kunde plötzlich mauert und auf Zeit spielt. Ellenlange Nachfragen aus den USA zum Entwurf. Immer wieder herauszögern der finalen Entscheidung, die in London und LA fallen sollte. Stichtag sollte der 18.5. sein, wie man den Hamburgern mitteilte. Nun weiß ich auch warum.

Die wirklich dummdreiste Begründung für das Ende der Freezers lautet nun, man habe ja schon seit Jahren einen Käufer gesucht und nie mit den Freezers Geld verdient. Das ist ebenso töricht wie eine Beleidigung der Intelligenz aller Menschen, die den Sport kennen. Man zeige mir die Bilanz einer einzigen (!) Spielbetriebs GmbH der DEL, die nennenswert (!) Geld verdient. Fakt ist. Die Bilanzen der Freezers und der Eisbären Berlin zeigen übereinstimmend ein millionenschweres negatives Engagement der AEG. Und man darf bei alldem nicht vergessen. Wer Verluste schreibt, zahlt darauf auch weniger bis keine Steuern. Zumal Kosten für die Spielstätte ja nichts anderes als ein Geschäft nach dem Motto linke Tasche, rechte Tasche waren.

Die finale Entscheidung, nein sie lag nicht am Geld allein. Aus meiner Sicht viel wichtiger:

  • Es ist den Freezers in all den Jahren nicht gelungen, als Teil Hamburgs in einer breiteren Öffentlichkeit akzeptiert zu werden. Wenn man sich im Trikot in ein Taxi setzte, musste man auch im 10. Jahr immer noch erklären, dass man gerade nicht zum HSV fährt.
  • Es ist vor Uwe Frommhold nicht gelungen, eine nennenswerte Sponsorenschaft aufzubauen. Insbesondere die glücklose Ära Michael Pfad, der Angst davor hatte die “Marke zu verscherbeln” (welche Marke?), hat die Freezers nicht vorangebracht.
  • Und es ist in alle den Jahren nicht gelungen, Hamburger Kaufleute nachhaltig von den Freezers zu begeistern und als attraktive und preiswertere Alternative zum Engagement im Fußball zu positionieren.
  • Das Areal der Arena besitzt keine direkte Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. Punkt. In Berlin fällt man aus dem Ostbahnhof direkt in den Eingang der Arena.
  • Berlin bietet Möglichkeiten, dass Geschäftsmodell von Anschutz besser umzusetzen. Schließlich soll das Umfeld dort ausgebaut werden. Vorbild ist hier das Gelände rund um die Spielstätte der LA Kings. Das ist in der Nähe der MVA schlecht vorstellbar.

Die Freezers, sie werden mir fehlen

Ich habe mich auf Facebook nie auf Diskussionen eingelassen, wo es um “wer ist ein wahrer Fan, wer nicht” ging. Ich war / bin Fan der Hamburg Freezers, weil ich mich mit den Werten der Organisation und ihren Fans identifizieren konnte. Wir haben unser Team unterstützt, aber eben auf hanseatische Weise. Da gab es keine Gesänge wie “Wir sind Eure Hauptstadt Ihr Bauern” (schöne Grüße an die Eisbären Fans, möge Anschutz Euch noch lange den Spielbetrieb garantieren) oder “Hurensöhne” (schöne Grüße nach Düsseldorf), sondern Begeisterung für das Team. Die Freezers waren eine Mannschaft zum Anfassen, durch und durch. Geschäftsstelle und Spieler. Es ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, wenn man vom Leiter einer Geschäftsstelle nach einem längeren Blogbeitrag eine mehrseitige persönliche E-Mail erhält, die einen Einblick hinter die Kulissen verschaffte. Danke Thomas.

Hier in Hamburg sind einige tolle Talente zu großartigen Spielern gereift. Ob ein G. Festerling, K. Schmidt, T. Oppenheimer oder auch ein N. Krämmer. Spieler, die umworben waren und sich bewusst für diesen Standort entschieden haben. Sie jetzt nicht mehr in der liebgewonnenen Arena spielen sehen zu können, schmerzt.

Ein Debakel für Eishockey im Norden und Schande für Hamburg

Hamburg – das ist doch die Medien- und die Sportstadt! Nun Medien werden schon seit Jahren überwiegend in Berlin produziert. Und Sport spielt wie Kultur tatsächlich schon immer eine kleine Rolle. Die hanseatisch zurückhaltende Art führt derzeit dazu, dass Hamburg wieder das wird, was es vor der Teilung Deutschlands war. Provinz, mit zu wenig Strahlkraft gegenüber der Haupstadt.

Hochklassiger Sport findet jetzt noch im Fußball statt, wo ein überschuldeter Sportverein sich immer mehr in die Abhängigkeit eines einzigen Gönners begibt. Dass es dem Handball und dem Eishockey nicht gut geht, war bekannt. Auch ohne unmittelbare finanzielle Unterstützung hätte es hier sicherlich für die Stadt Möglichkeiten gegeben, den Freezers zu helfen. Wenn man denn gewollt hätte. Eine echte Schande für eine angeblich so weltoffene Stadt.

Das Ende der Freezers ist auch ein schlechter Tag für das Eishockey. Erinnert sei noch mal an die vorbildliche Jugendarbeit der Organisation und dass nun der Einzugsraum SH und HH völlig ohne realistische Möglichkeiten dasteht, erstklassiges Eishockey zu sehen. DEL-Niveau gibt es also zukünftig jenseits der Elbe.

Und sportlich ist das auch für kleine Vereine (auch wenn es einige eingefleischte Fans nicht so sehen und auch nicht verstehen) ein Debakel. Denn die Option, einen DEL-Partner zu finden, um Nachwuchsspieler zu fördern, ist nun ins Nirwana gewandert.

Ich werde zu den Crocodiles gehen, aber ein Ersatz sind sie nicht

Ich liebe Eishockey. Und je schneller und brillanter, umso schöner. Genau deswegen waren die Freezers so wichtig für mich. Hier spielten Profis auf hohem Niveau.

Wann immer es ging, bin ich trotzdem nach einem Heimspiel noch nach Farmsen gefahren. Aber Oberliga bleibt eben Oberliga. Das ist auch Eishockey, nur eben ganz anders. Nicht weniger spannend, nur eben nicht das Eishockey, was ich gern live gesehen habe. Vielleicht gönne ich mir eine Dauerkarte für die Crocodiles.

Aber die Maske der Freezers werde ich weiter im Herzen tragen.

Ich wünsche allen Spielern und Mitarbeitern der Geschäftsstelle, dass sie den Schock schnell überwinden und vor allen Dingen möglichst rasch eine neue tolle Herausforderung finden.

Meine guten Wünsche gehen insbesondere aber an zwei Personen, die mir, auch wenn es nur sporadische bzw. kurze Begegnungen waren, am Herzen liegen. Thomas Bothstede und Tina Schröder vom HEC.

Alles Gute! Servus, Freezers.

3 Gedanken zu „Die Maske im Herzen – (m)ein Abschied von den Hamburg Freezers

  1. Klaus Frühwald

    Sie sprechen mir aus dem Herzen, danke dafür. Dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht, ich habe es schon immer befürchtet. Es ist und bleibt erbärmlich, welches Bild die Stadt und vor allem die sogenannten Kaufleute und Gönner, abgeben.
    Tschüss Freezers

    Antworten
  2. Wolfgang Asmuß

    Sehr geehrter Herr Lamprecht,

    ihr Artikel ist wie immer sehr schön zu lesen und gibt eine brillante Sicht auf die Dinge der letzten Jahre bei den Hamburg Freezers. Es freut mich natürlich besonders, dass wir die Crocodiles Hamburg Sie und Ihren Sohn häufig in unserer Spielstätte in Farmsen begrüßen konnten und hoffentlich wieder können. Der Verlust der Freezers ist wirklich kein Glücksfall für das Eishockey in Deutschland und schon gar nicht für Hamburg und die Crocodiles. Wir waren auf einem wirklich guten Weg eine neue Partnerschaft für das Hamburger Eishockey aufzubauen, um den Eishockey Standort Hamburg weiterzuentwickeln. Es gibt keine bessere Werbung für meinen Sport Eishockey, als eine Mannschaft in der DEL.

    Nun möchte ich aber noch einige Worte zu der Eishockey Zukunft in Hamburg sagen. In den letzten vier Jahren konnten sich die Crocodiles Hamburg kontinuierlich weiterentwickeln. Allerdings benötigen wir sicherlich noch weiter intelligente Personen, sowie natürlich Geld damit wir diesen Weg weiter gehen können. Wir sind(auch vor dem aus der Freezers) in guten Gesprächen und haben den Worten der letzten Monate bereits Taten folgen lassen. Die Crocodiles Hamburg im FTV werden erstmals in der 26 jährigen Vereinsgeschichte einen Headcoach für den gesamten Nachwuchs und der Oberliga präsentieren. Zusätzlich wurde auch die Position des sportlichen Leiters weiter entwickelt. In den nächsten Tagen versuchen wir den Weg einer Kooperation mit einem DEL, oder DEL 2 Verein zu finden, um den talentierten Nachwuchs in Hamburg eine gute Ausbildungschance zu geben. Das sportliche Ziel der Crocodiles wird es sein, junge und hungrige Spieler aufzubauen, gepaart mit ein paar starken älteren Spielern, um das Ziel 2020 erreichen zu können. Gerne würde ich mich auch einmal mit ihnen zu einem Käffchen treffen, um über das Thema Eishockey in Hamburg zu plaudern.

    Liebe Grüße Wolfgang Asmuß

    Antworten
    1. Stephan Lamprecht

      Lieber Herr Asmuß,

      ist zwar eher ungewöhnlich, dass so öffentlich zu tun. Aber sehr gern plaudere ich mit Ihnen auch bereits vor dem Saisonstart der Crocodiles. Da ich ja ein recht öffentlicher Mensch bin, schreiben Sie mich doch gern auf Facebook oder auch per Mail an. Dann machen wir beide einen Termin für dieses Kaffeetrinken aus.

      Bis dahin!
      Stephan Lamprecht

      Antworten

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